Fr. Johannes Brunner

Ein Heiliger des Alltags
Seeligsprechnung des Fr. Johannes Brunner. O.Carm., Gossersdorf.


Vor kurzem traf sich hier bei einer durch den langjährigen Hauptlehrer von Gossersdorf und späterem Schulrat von Bogen, Herrn Josef Ettl, angeregten eifrigen Forschern über das Leben des Gossersdorfer späteren Karmelitenfraters, Johannes Brunner, die freudige Nachricht ein, daß dem Vizepostulator der Seeligsprechungsprozesse des Karmelitenordens in Bamberg von Rom aus der Auftrag gegeben wurde, den Prozeß des am 3. Juni 1901 im Rufe der Heiligkeit gestorbenen Karmelitenbruders Fr. Johannes Brunner, der in der Karmelitengruft in Straubing ruht, zu eröffnen. Eine größere Ehre gäbe es nicht für Straubing (vor allem auch für Gossersdorf!), für Niederbayern und die Oberpfalz sowie für das ganze bayerische Volk als die Seligsprechung eines ihrer Bürger. Der Vizepostulator bittet um gläubiges Gebet um die Seligsprechung und um vertrauensvolle Zuflucht zum gottseligen Bruder Johannes in allen Nöten und Anliegen, damit er von der besseren Welt aus zeigt, daß er bei Gott etwas vermag. Viele Gebetserhörungen seien schon gemeldet worden. Michael Brunner (dies war sein Taufname) wurde am 2. Oktober 1842 in Oberhaid, Pfarrei Cham, geboren. Seine schlichten, aber frommen Eltern erzogen ihn zur Frömmigkeit und Gottesfurcht. Über seine ersten Jugendjahre schrieb er selbst in sein Tagebuch: "Ich war ein urwüchsiger Bauernbub, der baden, fischen und springen als seine größte Freude ansah. Kaum 10 Jahre alt, mußte ich das Reich meiner ersten Jugendträume verlassen. Meine Eltern kauften in Gossersdorf ein Haus. Schon fühlte ich den ersten Trennungsschmerz. Meinen liebsten Spielplätzchen, meinen treuen und besten Kameraden mußte ich Lebewohl sagen. Es ist mir furchtbar schwer gefallen. Mit 11 Jahren kam ich bei einem Schuhmachermeister in die Lehre. Dort habe ich gern gearbeitet, viel gelacht, gepfiffen und getanzt vor lauter Übermut. Nur innerlich hin ich nie glücklich gewesen. "Michael Brunner war von frühester Jugend auf sehr fromm und besuchte bei jeder Gelegenheit die hl. Messe, zuerst in Vilzing, später, nach der Umsiedlung, in Konzell. Er war ein fleißiger, pflichtbewußter Arbeiter, aber auch weltlichen Freuden nicht abgeneigt. "Ich wandelte als ein schwacher Mensch nicht die Pfade Gottes, sondern der Welt bis zu meinem 22. Lebensjahr. In diesem Alter wurde ich von der Gnade Gottes erleuchtet. Ich erkannte mein unnützes weltliches Treiben. Mit aller Gewalt drängte es zu einer gründlichen Bekehrung." Über den Grund seiner Bekehrung berichtet die Schwester eines seiner Freunde: ,,Michael Brunnen ging gerne mit meinem Bruder zur Tanzmusik. Eines Tages sah nun Michael unter den Tanzlustigen den Teufel in seiner erschreckenden Höllengestalt, wie er sich freute, wie die jungen Leute beim Tanzen sündigten. Dies ergriff ihn derart, daß er nie mehr einen Tanzboden betrat, sondern plötzlich ein anderer Mensch wurde." Wie die alte Naglmutter, die Silvester 1948 im Alter von 89 Jahren verstorben ist, die Ehefrau eines Stiefbruders, erzählte, hat Michael die Teufelsfratze nur im Traum gesehen, was die Umkehr des lb. Seligen um so verdienstvoller macht. Eifriger Gottes- und tätiger Nächstendienst war sein Lebensziel. Letzteren praktizierte er in erster Linie in seiner Familie. Er hat seiner Mutter versprochen, die Schusterwerkstatt seines Stiefvaters, der schon in jungen Jahren gestorben war, so lange weiterzuführen, bis auch das letzte seiner Geschwister sich selber helfen könne. Und dieses Versprechen hat er gewissenhaft gehalten. Sein maßvolles und überlegenes Benehmen beweist auch, daß Michael, als er einmal von seiner Dachbodenschlafstelle aus hörte, wie man seiner Familie Holz stahl, sagte: "Früh bist auf!" Der Dieb machte sich darüber wohl mehr betroffen als von Schelten und Fluchen, schnellstens davon. Da Michael oft auch in den Nachtstunden mit ausgespannten Armen betete - seine Stiefbrüder stießen manchmal an ihn an -, konnte er dies leicht hören. Alljährlich sammelte Michael Brunner die Jugend von Gossersdorf und Umgebung zu einem Bittgang zu "Unserer Lieben Frau von Pilgramsberg", das gut 2 Wegstunden entfernt liegt. Dabei trug er stets das jetzt noch im Gossersdorfer Schloßkirchlein über dem rechten Seitenaltar hängende Kreuz mit. Beim Wirt in Haunkenzell, dessen Frau eine Gutsbesitzerstocher von Gossersdorf war, kehrten sie ein und Michael zahlte aus seinen Ersparnissen die ganze Zeche. Jeden Sonntag hielt er im Gossersdorfer Kirchlein als Vorbeter eine Nachmittagsandacht. Viele haben damals behauptet, wenn Michael Brunner nicht heilig wird, gibt es für uns überhaupt keinen Himmel. Nachdem ihn seine Mutter Zuhause nicht mehr brauchte, ging Michael Brunner, 30 Jahre alt, als Schustergeselle nach Straubing und kam zur Familie Biermaier. Auch in Straubing trat der Unterschied zwischen seiner christlichen Lebensauffassung und der Weltanschauung seiner Umwelt deutlich hervor. Wegen seiner guten Arbeit und seiner Leistungen, die auf Ausstellungen Preise erhielten, wurde er bald Vorarbeiter. Seine Mitgesellen hatten Respekt vor ihm, doch mußte er auch viel Spott und Hohn ertragen, obwohl er kein finsterer Kopfhänger war. Dies hätte sich auch mit seiner inneren Befriedigung, die ihm stets aus den Augen strahlte, nicht vereinbaren lassen! Daß sein Meister das Wesen Michaels wohl zu schätzen wußte, beweist die Tatsache, daß er einmal, als Michael wegen des unaufhörlichen Scheltens seiner Mitgesellen die Stelle verlassen wollte, äußerte: "Ihr könnt alle gehen, aber Michael bleibt bei mir!" Im Laufe der Jahre hatte sich Michael seelisch so vervollkommnet, daß er beschloß, der Welt abzusagen und ins Kloster zu gehen. Fast 41 Jahre alt, trat er am 5. März 1883 in Straubing ins Karmeliterkloster ein und ist künftig nur noch dienender Liebfrauenbruder. Frater Johannes Soreth genannt. Seine Seele schwingt sich bald zu ungewöhnlichen Höhen der Vollkommenheit. Freilich ahnten die vielen Besucher des altehrwürdigen Karmeliterklosters, wo er Pförtnerdienste versah, kaum etwas von seinem Innenleben, das ein immerwährendes Gebet war, und von seiner Seelengröße, weil sie in der treuesten Erfüllung der täglichen Pflichten und in der heldenhaften Ausübung der Alltagstugenden bestand. Seine Mitbrüder bezeugen von ihm daß er nie gegen die Nächstenliebe gefehlt hat. Nur l8 Jahre war er Pförtner, als er am 3. Juni 1901 einem schmerzvollen Leiden erlag und sein göttlicher Meister seine große Seele zur ewigen Anschauung in den Himmel aufnahm. 44 Jahre hatte der tief fromme, bescheidene und doch so lebenstüchtige, gehorsame Laienbruder Fr. Johannes Brunner in der stillen Gruft des Karmeliterklosters Straubing geruht. Am 27. Juni 1947 feierte seine irdische Hülle eine Auferstehung. Im Auftrag des Hochwürdigsten Diözesanbischofs von Regensburg wurden seine Gebeine durch S. Exzellenz, den Hochwürdigsten Herrn Weihbischof Dr. Johannes Bapt. Höcht erhoben und aus dem einfachen Holzschrein in einen Metallsarg gebettet. Viele Gebetserhörungen und Gnadenbeweise wurden auf die Fürbitte des ehrwürdigen Fr. Johannes bereits erlangt. Auch im Gossersdorfer Schloßkirchlein hängt eine Votivtafel über eine Gebetserhörung. Wenn es des ewigen Gottes heiliger Wille ist, wird die katholische Kirche ihren treuen Diener Frater Johannes Brunner, den schlichten Waldler, einen Mann aus dem Alltag, feierlich selig sprechen. Vertrauensvoll wollen sich alle Gläubigen in ihren Anliegen an ihn wenden: Wer hier zu helfen so bereit, hilft gern auch in der Ewigkeit!

(Straubinger Tagblatt 1950)