Von der barocken Bildhaftigkeit des Waldlerischen (Josef Fendl)
Die heimische Sprache ist ein kostbares Gut des Menschen. Unerschöpflich ist der reiche Sprachschatz des Niederbayern, der sich in der Mundart stets bildhafter Vergleiche bedient. Beim Diskurs; mit Freunden, bei einer netten Unterhaltung mit Nachbarn, besonders aber bei Zank und Streit, brechen oft tief vergrabene und längst vergessene Ausdrücke an die Oberfläche, die echten Volkshumor und ätzenden Volksgrimm zeigen. Der Niederbayer schimpft gern viel, ohne es böse zu meinen. Ein Schimpfwort kann dabei auch besondere Verbundenheit und Vertrautheit bedeuten. Man hört mit Ergötzen, wenn einem der Willkommensgruß: "Ja mi legst am Arsch, lebst Du a no, oida Bazi"; oder der Abschiedsgruß: ,,Pfiat di God, Pfundhamme pfundiga" geboten wird. Sie drücken Sympathie, Freundschaft, und urige Gemütlichkeit aus. Ist ein hochgewachsenes Mädchen mit einem kleinen Mann verheiratet, is Benk höher wej da Tisch, oder d'Kircha schaut übern Turm außi; der x-beinige hat d'Haxn fojsch eighengt; wer recht mager ist, ist wej a englische Sau: vorn dürr und hint moga, schaut aus, wej a ausgnummana Haring, hat Oarm, wej a ausgstraafte Leberwurscht, deswegn froist'n aa wej an nockertn Schullehrer; andere haben im Gegensatz dazu Hojz vor da Hüttn; ein Sterbenskranker schaut aus wej's Leidn Christi oder wej da Toud vo Eding; ein kleiner, unbedeutender Mensch is a aafgstellter Mausdreck; wem die Ausdauer fehlt, der hat koan Sitzadn; einer; der nicht aufhören kann, redt si's Mäui gfransert; wer leicht weint, hot nahert ans Wosser baut; a recht a Grantlhuber geht in Keller, wenn er lacht; ein Eingebildeter glaubt, d'Sunn gehert in seim Hof aaf; a anderer is so gscheit, daß er mit oaner Hand klatschn ko; einem übermütigen Menschen ghörn d'Flie (die Flügel) gestutzt, und einem Geizkragen wird's Geld stinkert. Ma kann d'Laus um an Bojg schindn, oba aa vo de Federn aafs Strouh kemma. Wenn ein Mädchen einen Burschen zum Tanzen holt, laßt's d'Hund o; hat sie viele Verehrer, hat sie's no da Wognschwaarn; hat der Zukünftige zwar a Sach, schaut aber nicht gut aus, sagt man: D'Kapelln taugert scho, oba da Heilige is nix wert. Wenn die Dirn und der Knecht ein Verhältnis miteinander haben, hobn sie's Hausbrout gessn; in manchen Jahren san d'Hoslnuß gratn, das heißt, es gibt viele Mädchen in anderen Umständen. ,,Mir hobn dös Gspui net aafbracht", tröstet eine uneheliche Mutter die andere, ,,mir bringas aa net o!" Die Heiliggeistkugel über dem Tisch is a Suppnbrunzer; am Kirta, wenn es überall nach Gebackenem riecht, geht der Schmojznudlwind; dann betet der Hüterbub: ,,Unser heutiges Brot gib uns täglich!", denn a laarer Sok steht net, b'sonders dann net, wenn ma sonst nix im Bauch hot, wej d'Erbsünd. Freilich, bei den Kindern san d'Augn oft größer, wej da Mogn! Ein plötzlicher Regenschauer is a Kittlwoscher, wer das Licht bis in den Tag hinein brennen läßt, der brennt dem Tag d'Augn aus; wer Unpassendes daherschwätzt, dem sei Red hot koa Hoamat. 's Bier schmatzt, wenn ein Betrunkener unkontrolliert daherredet. Wer aufgibt, bricht's Kripperl o, und aa a kloas Haus hot ojerwei no a Tür zvui – durch die ma außi tragn wird, wenn d'Wogscheitl brocha san. Ein plötzlicher Tod wird oba aa fürs Sterbn ogrechnat, und wenn bei der Beerdigung nicht geweint wird, is 's hoit a truckene Leich gwen - dös mocht dem nix mehr aus, der vom Mäui af in Himmi kemmar is. Wer lang net stirbt oder net sterbn ko, der hat a viereckerte Seel - do gehts nachher hirter mitm Mäui-af-in-Himmi-kemma! Die Heiligen sind dem Herrgott seine Ehhaltn, und ein verstaubter Heiliger in der Kirche kommt dem Pfarrer vor, als wenn der vierzeha Tag mit'm Dampf ganga waar. Der Baldachin der Fronleichnamsprozession is da Himmi, und 'sHimmitrogn ein Ehrenamt in den Walddörfern. Zuviel Weihrauch macht die Heiligen rußig. Bemerkenswert ist auch, daß im Waldlerischen das farblose Wort ,,sehr" fehlt. Bei uns ist man nicht sehr alt oder sehr dumm, sondern steinalt und stockdumm, zaundürr oder speckfoast, himmilang und damalang, kreuzbrav und mucksmäuserlstaad, kohlschwarz und kaasweiß, brinnrout und grosgrea, guzerlgejb und kitzgraw; stocknarrisch und scheißfreundlich, vielleicht auch fuchsteufelswild, aber allerweil hechtngsund - drum fühlt man sich auch sauwohl. Das Waldlerische kennt viele feine Abstufungen, wie sie etwa in dem Spruch anklingen: ,,Raffa tan mir öfter, i und mei Mo", hat diesell Bäuerin gsagt, ,,oba gstrittn hahn mir nonia!" In der Mundart, bemerkt der junge waldlerische Dialektdichter Josef Berlinger zu Recht, kann man ,,nur schwer am Menschen vorbeireden, über seinen Kopf hinweg reden, mit Worten, Begriffen und Bildern jonglieren, die ihm unverständlich sind - aus dem einfachen Grund, weil die Mundart diese verschlüsselten Worte, Begriffe und Bilder nicht besitzt. Das mag man ihr als Beschränktheit ankreiden, aber es hat auch etwas für sich. Wenn ein Kennzeichen der klassischen (um nicht zu sagen archaischen) Sprachen ihre Prägnanz ist, dann haftet auch dem Waldlerischen eine Portion Klassik an: Hochdeutsch könnte ein Gespräch zwischen einem Kunden und dem Photographen etwa so lauten: ,,Ich mache mir durchaus keine übertriebenen Vorstellungen von den Porträts; ich weiß, daß ich nicht sonderlich fotogen bin!" - falls es überhaupt in dieser Ehrlichkeit geführt werden sollte. Auf waldlerisch heißt das kurz und bündig: “Wiari weji wiar, weji wiar wiari!” Freilich, das Allzu Perfekte ist dem Waldler auch wieder suspekt, wie es deutlich in der Anekdote vom verstopften Salzbüchserl zum Ausdruck kommt, das zwei Stammtischler verärgert wegstellen, der Berliner Feriengast dagegen mit Hilfe eines Zahnstochers wieder funktionsfähig macht. Einziger Kommentar eines der beiden Einheimischen: ,,Sieghst, drum mog i s net!"
Übersetzungen
Das Frühjahr = is der Auswärts bedeckt hoaßt = da Himmi is zougschlogn es donnert = Petrus scheibt Kegl die Dämmerung = zwischen Finster und Siehgst-mi-net etwas nach oben gebogene Nase = Himmifahrtsnosn trinken = naß fuadan kraftstrotzend = kerndlgfuadert aufgetrieben (und doch nicht kräftig genährt) = gsoudwampert faulenzen = sich pelzen rund 25 Minuten = a roglane hojbe Stund rückwärts = arschling Weste = Leibl Gehrock = Gensthintere, Hundstratzar Schirmmütze = Dacherlhaubn Brille = Winterfenster Parfüm = a schmeckerts Wasser Mundharmonika = Fotzhobi (Fotz=Lippen) von großem Wuchs = lang wej a Hopfastang eigenartiger Mensch = a seltsamer Heiliger Süßholzraspler = Schmirmkoda Limonade = Kracherl kleiner Feuerwerkskörper = Speibteifi kleines Motorrad = Hennersprenger Theologiestudent = Pfarralehrbua Tod (personifiziert) = Boandlkramer Wichtigtuer = Springgi(n)nkerl, Gschaftlhuber
Deftige Sprüch
“O mei Anni", hat da Hans am Grab von seiner Verflossenen gsagt, ,,was wird i iatz nacha für a Bißgurn kriagn, wenn i wieda heirat".
,,Die is so dürr", hat d'Bäuerin von ihrer Nachbarin g'sagt, ,,daß der Tod gegen sie a Specksau is!"
,,Geld gibts gnua", hot da Bettlmo gsagt, ,,bloß zsammtrogn muaß wern"
“Die is so foast" (fett), hat der Bauer von seiner Nachbarin g'sagt, ,,daß mer a Stückl Brot dazua ess'n muaß, wenn mer s'anschaut!”
,,San ja gnua do", hot s'Doudnwei gsagt, wir s'Gscheft schlecht ganga is, “san ja gnua do, sie brauchatn bloß sterbn".
,,Di mog nöt amoi da Deife", hot da Schneidabauer zu sein Wei gsagt, ,,sonst hed a Di scho lang ghoit".
,,Da Lenz hot a dicke Haut", hot Zenz gsagt, wennst dem mitm Hamma afs Hirn afihaust, nacha sagt a hechstns Herein".
,,S'Glück", hat da Hias beim Schofkopfa zu sein Spezi gsagt, ,,s'Glück is a Rindviech, und sucht seinesgleichen".
,,Irrtum, hat der Bock g'sagt, wia man zeidln wollt"
,,D'sau findt sein Dreck", hot da Bauer gsagt, wia seij Andadirn an Zigeina gheirat hot.
,,No da Nout koan Lung lassn", hot da Loschimo (Inwohner) gsagt, und hot si an Bettlrausch ogsuffa ,,Früaha", hot da Moasta zum Lehrbuam gsagt, ,,früaha hod da Dreck gstunka, heit redt a".
,,Der zwängt sö überall nei', wia a lausige Sau"
,,Wenn dei Dummheit a Wärm abgabat, kannt ma an Hergott d'Sun zruckgeb'n"
,,A Haus, in dem a guat's Wei' ist, geht net unta"
D'Wahrat is a grobs Viech"
“Wenn Du do hihaust, wost hischaust, hot da Metzgalehrbua zu sein schiagladn Moasta gsagt, nacha mecht i vorher scho no liaba mit da Sau tauschn".
,,Neue Besen kehrn guat, aber die alten wissen die Winkel"
“Die treibts um, wia a legate Henn'"
“Geh außi", hot Bäuerin zum Bauern gsagt, “da Viechhandla mecht an Ochsn sehgn".
,,Geht scho aufwärts", hot da Spatz gsagt, wia na Katz üba d'Stieagn afi hot.
,,Neid frißt Vieh und Leit"
,,Wenn da Bettlmo aufs Roß kimmt, kann an koa Teifi mehr derreitn"
.,Es findt halt diamoi aa a blinde Henn' a Woaznkörnl"
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