Mord im Konzeller Schulhaus
(Ein Tatsachenbericht)

Am Martinitag des Jahres 1844 geschah im Konzeller Schulhaus eine schreckliche Bluttat. Dazu erzählt der Lehrer Alfons Lohr, dessen Großvater vor jener Zeit als Schulgehilfe in Konzell tätig war, in seinem Bericht "Mein Großvater unter Mordverdacht" schauerliche Einzelheiten: Damals war die Volksschule zweiklassig, besetzt mit dem Lehrer Dominikus Hahn und dem Schulgehilfen Martin Lohr, meinem Großvater. Der Herbst des Jahres 1844 geht zu Neige, bald wird ein schneeschwerer Winter das Waldlervolk zur unfreiwilligen Ruhe zwingen. November ist es, der Martinitag, auf den sich in der Konzeller Gegend alt und jung jährlich aufs Neue freut. Ist doch der Martini-Markt hier ein Bauernfeiertag. Das Wirtshaus der Brauerei Klett ist gesteckt voll, Lehrer Dominikus Hahn und sein Schulgehilfe, der 24jährige Martin Lohr, sitzen mitten unter den Leuten. Der junge Schulgehilfe ist ein guter Gesellschafter, er liebt die Musik und kann auch die Orgel "schlagen". Am späten Nachmiitag herrscht Hochstimmung in der Wirtstube. Fröhlichsein bedeutet bei den Waldlern singen und Geschichten erzählen. Sie schauen einander aufs "Mäui", einige singen "drüber, die anderen "bassen". Schon öfter hatte dann der Schulgehilfe im Wirtshaus in lustiger Runde ein Lied zu seiner Gitarre gesungen. "Herr Lehrer" rufen die Leute dem Schulgehilfen zu "jetzt san Sie dran mit an Liadl!" "Warum nicht! Da müßt ich aber meine Gitarre holen in Schulhaus". Fragend schaut er zu seinem Schulleiter hinüber. Diesem scheints wohl recht zu sein, weil er nichts vermerkt. Und so steigt der Hilfslehrer hinter den Mannerrücken über die vollen Wirtshausbänke und geht hinüber zur Schule. Die Haustür ist zugesperrt. Er hat dummerweise auch keinen Schlüssel dabei. Die Frau des Lehrers Hahn ist wohl ausgegangen, denkt er sich, und ihr Mann weiß davon nichts, der hätte ihn sonst gewiß aufmerksam gemacht. Daß aber auch die Lehrermagd nicht daheim ist? Aber im Parterre ist ein Fenster offen. Er ist jung; hineingesprungen, im Hilfslehrerzimmer die Gitarre geholt und durchs Fenster wieder zurück zum Wirtshaus. Nun geht es bis zum Abend hoch her. Martini-Markt ist schließlich bloß einmal in Jahr und außerdem will ja der Schulgehilfe seinen Namenstag fidel feiern.
Draußen war's schon dunkel, da kommt der Schulhausnachbar in die Gaststube gerannt und ruft dem Lehrer Hahn zu: "Im Schulhaus ist war passiert! Eure Magd ist grad heimgekommen und hat die Frau Lehrer in der Stube tot aufgefunden. Wahrscheinlich Mord!" Lehrer Hahn springt auf, die Leute geben ihm entsetzt den Weg frei. Im Hinauslaufen ruft er noch: "Was werd ich noch alles erleben müssen!" Da lag die Leiche seiner Frau auf dem Stubenboden, ein Bett war über sie geworfen. Am Hals waren unschwer Strangulienungsrinnen zu erkennen. Und auch Schränke waren aufgebrochen, zweifellos "Raubmord!" Die Gendarmen kamen. Verhörten nach allen Richtungen und Möglichkeiten. Magdalene, die Magd, hätte zum Martini-Markt am Nachmittig frei bekommen, sie konnte ihren Verbleib nachweisen; die beiden Lehrer hatten den Nachmittag im Wirtshaus verbracht, was alle bezeugen konnten; sonst wohnte niemand in der Schule. Man stand diesen Abend vor einem Rätsel. Aber schon am nächsten Tag gab es eine Sensation. Den jungen Hilfslehrer Martin Lohr nahm man in ein peinliches Verhör. Wie konnte er im abgesperrten Schulhaus seine Gitarre holen? Ein Fenster sei offen gewesen, habe er gesagt. Sollte ein Fremder eingestiegen sein? Man hätte in sicherlich bemerkt, stand doch das Schulhaus mitten im Dorf. Da stand es schlecht um meinen lieben Großvater. "Herr Lehrer Martin Lohr, wir müssen Sie festnehmen wegen Mordverdacht!" Die Gendarmen nahmen ihn in ihrer Mitte und führten ihn ab zwischen Scharen aufgeregter Männer, Weiber und Schulkinder. Von diesem bößen Ende eines Maitinimarktes haben die Konzeller zeitlebens erzählt. Die Lehrerfrau erwürgt, der Hilfslehrer im Landgerichtsgefängnis in Mitterfels. Unter großer Anteilnahme beerdigte man die allseits beliebte Lehrersfrau 2 Tage später auf dem Gottesacker zu Konzell. Dabei fiel vielen Trauergästen und Neugierigen die verzweifelte Trauer des Ägidius Hahn auf, ein Vetter des Lehrers Hahn. Auch ein anwesender Gendarm wurde auf die seltsame Gemütsverfassung des Mannes aufmerksam. Er nahm ihn nach der Beerdigung beiseite, verhörte ihn und machte eine Leibesvisitation. Zum Vorschein kam dabei eine silberne Uhr, die sich als Eigentum des Ehemannes der Ermordeten herausstellte. Ägidius wurde ebenfalls als verdächtig nach Mitterfels eingeliefert. Die Mühle der Gerechtigkeit begann zu mahlen. Der Landrichter sah ein bißchen weiter als seine Gendarmen. Der Geistliche, nach dem Tode seines Vorgängers erst vier Wochen in Konzell, wurde verhört, auch der Bürgermeister, der Wirt und manche andere. Was die einen nur andeuteten, ergänzten die anderen: Es sei ortsbekannt, daß der Lehrer Hahn mit seiner Magd Magdalena zweifellos ein Verhältnis habe. Die Frau des Lehrers habe das machtlos mit ansehen müssen. Sie sei eine recht anständige Frau gewesen, Tochter des Gastwirts Lutz aus Cham, erst 25 Jahre alt und seit einem Jahr mit dem Lehrer verheiratet. Hierzu muß ich einfügen, wieso ein Lehrer, der damals wahrlich nicht gut bezahlt war, sich eine Magd halten konnte. Mit dem Schuldienst war der Mesner und Organistendienst in der Kirche verbunden. Als Bezahlung dafür standen dem Lehrer von Konzell ansehnliche landwirtschaftliche Grundstücke zur Verfügung, die er bewirtschaftete. Dazu hatte er auch eine Magd eingestellt. Besagter Ägidius und die Magd Magdalena waren Geschwister und mit dem Schullehrer Dominikus Hahn entfernt verwandt. Ägidius war in der benachbarten Pfarrei Haibach als Sägeknecht beschäftigt. Und was war mit Magdalena? Man hatte sie seit der Beerdigung nicht mehr gesehen. Sie war im ersten Schock wohl zu Verwandten gelaufen. Aber wo waren die 850 Gulden, die der Lehrer als geraubt angegeben hatte? Der Sägeknecht Ägidius versicherte, nichts davon zu wissen. Er gab jedoch zu, schon einmal gestohlen zu haben, 800 Gulden, vor 4 Jahren, als er zum Militär einrücken sollte. Er habe dazu keine rechte Lust gehabt und wollte einen Ersatzmann stellen, was zur damaligen Zeit möglich war. Ein solcher kam auf ca. 300 Gulden, die er aber nicht besaß. So habe er bei seinem damaligen Dienstherrn, dem Vater des jetzigen Lehrers Dominikus Hahn, der vor seinem Sohn auch Lehrer in Konzell war, einen Diebstahl begangen. Vater Hahn lag zu dieser Zeit todkrank darnieder und so blieb der Diebstahl unbemerkt. 14 Tage später sei der alte Mann gestorben. ln einer Anwandlung von Reue habe er dem Dominikus Hahn den Diebstahl eingestanden und die restlichen 500 Gulden zurückgegeben. Dominikus habe ihm versprochen, von einer Anzeige abzusehen, wenn er künftig fleißig arbeite und ihm treu ergeben sei. Bald legte aber der Knecht Ägidius im Mitterfelser Gefängnis ein volles Geständnis ab: "Dominikus hatte mich in der Hand und hat mich erpreßt wegen des Diebstahls vor 4 Jahren. Ja, ich war es, ich habe im Auftrag des Schullehrers die schreckliche Tat ausgeführt".

Dominikus Hahn`s Lebensbegebnisse

    Dei letzter Weg

    Dein letzten Weg gehst ganz alloa,
    des schmale Gasserl is vui z`kloa,
    daß oana mit dir weitageht,
    dei Sach, des dort am Wegrand steht,

    desd deine Lebtag zàmmklaubd hast,
    laßt da oiß zruck, s waar dir a Last.
    Hast Ordn kriagt und Ruhm und Ehr,
    wem zoagst du des im Gasserl her ?

    Hast schwaar di mit da Arbat plagt,
    warsd zwengs am Wehdam ganz verzagt,
    hast allweil an die selber denkt,
    deim Nachbarn koa guats Wörterl gschenkt.

    Dei Geld hast gspart und dir nix gunnt,
    und iatz kimmst doch, de oane Stund,
    Du muaß die bucka, machst di kloa,
    den letzten Weg den gehst du alloa.

    (Johanna Behringer)

     


Daraufhin erfolgte die Verhaftung des Dominikus Hahn. Bei der Vernehmung verwickelte er sich in Widersprüche und in die Enge getrieben, legte auch er ein Geständnis ab. Auf die Frage nach den 850 Gulden gestand er, diesen Raub nur vorgetäuscht zu haben. Das Geld sei im Heu des Schulstadels versteckt. Tatsächlich fand man bei der Durchsuchung des Heustadels das Geld und zugleich auch die Magd Magdalena, die sich hier versteckt hatte. Auch sie wurde verhaftet und nun saßen alle drei Hahn in Einzelhaft im Gefängnis zu Mitterfels. Der zuerst verdächtigte Schulgehilfe Martin Lohr wurde aus der Haft entlassen. Einen Tag und eine Nacht hatte er unter Mordverdacht im Mitterfelser Gefängnis verbracht. Die Urteilsfindung gegen die Mordkomplizen ließ noch zwei volle Jahre auf sich warten, denn der Richter hatte gute Gründe hierfür. Da kamen noch grausige Begleitumstände ans Tageslicht und auch ein zweiter Mord. Es galt die Rolle der Magd Magdalena zu klären, die sie in diesem Drama gespielt hatte. Die Ehe des Lehrers mit seiner jungen Frau war von Anfang an trostlos, da er sie nur wegen ihrer guten Mitgift geheiratet hatte, sein Verhältnis mit der Magd aber nicht aufgab. Dem vier Wochen vor dem Mord im Schulhaus verstorbenen Michael Linhard waren gewisse Vorgänge im Schulhaus nicht unbekannt geblieben. Er ermahnte den Lehrer, dessen Vorgesetzter als Lokalschulinspektor er zur damaligen Zeit war, seinen Lebenswandel zu ändern, ansonsten er mit seiner Entfernung aus dem Schuldienst rechnen müsse. Dadurch zog sich der Pfarrer den Haß des Gewarnten zu, der nun darauf sann, den lästigen Mahner zu beseitigen. Die Möglichkeit dazu ergab sich in der Vergiftung des Meßweins, den der Lehrer Hahn als Mesner täglich für das Meßopfer bereitzustellen hatte. Ab Weihnachten 1843 begann Pfarrer Linhard zu kränkeln und am 9. Oktober 1844 starb er. In die amtliche Sterbeurkunde wurde als Todesursache Wassersucht eingetragen. Nun aber wurde eine Obduktion der Leiche angeordnet, wobei Gift im Körper des Verstorbenen nachgewiesen wurde. Es war plumbum aceticum, das der Mörder täglich dem Meßwein beigemischt hatte und dem Pfarrer reichte, der ihn ein Jahr zuvor getraut hatte. Schon zwei Wochen nach der Beerdigung des Pfarrers schmiedete das ruchlose Paar den Plan zur Beseitigung der Lehrersfrau. Die Magd spekulierte darauf selbst Lehrersfrau zu werden und unterstütze den ausgetüftelten Mordplan. Dazu fand am 28. Oktober 1844, am Tage Simeon und Judäa, ein Treffen im Wirtshaus zu Menach statt, wozu Magdalena auch ihren Bruder Ägidius bestellt hatte, denn ihn hatten die beiden Verschwörer zur Ausführung der Tat auserkoren. Aber erst der Hinweis auf den ungesühnten Diebstahl von 800 Gulden vor vier Jahren machten den Knecht gefügig. Er sollte sich in den Keller des Schulhauses einschleichen und die Magd werde ihm einen neuen Kartenstrick mit Seife elastisch machen. Damit könne er die Lehrersfrau erdrosseln, ohne daß sichtbare Spuren zurückbleiben würden. So kam es am il. November, dem Martinitag des Jahres 1844 zur Ausführung der anfangs geschilderten Mordtat. Soviel abgrundtiefe Schlechtigkeit stand selten vor dem Mitterfelser Gericht. Alle drei Hahn wurden wegen gemeinsamen Mordes zum Tode verurteilt. Den eingereichten Gnadengesuchen wurde vom König für den Knecht Ägidius, dem gedungenem Mörder, und für die Magd Magdalena stattgegeben, für Dominikus aber abgelehnt. Das entsprach auch dem Rechtsempfinden des Volkes; er war der eigentliche Urheber und Anstifter. Der Knecht und die Magd mußten lebenslänglich ins Zuchthaus. Mehr als zweieinhalb Jahre waren seit jenem Martinitag ins Jahr gegangen. Die Hinrichtung des Delinquenten war auf den 13. August 1847 festgesetzt. Eine ungeheuere Erregung bemächtigte sich der Bevölkerung des Mittleren Waldes, sollte doch die Hinrichtung zur Abschreckung dienen und daher öffentlich und mit dem Schwert des Scharfrichters vollzogen werden. Tausende kamen zu diesem Ereignis nach Mitterfels. Die Richtstätte befand sich in Mitterfels an der Straße nach Straubing bei den vier mächtigen Linden in der Nähe des heutigen Friedhofs. Der Großvater von Adolf Lohr von dem Geschehen an diesem denkwürdigen Tag wie folgt: "Am Hinrichtungstag wurde Dominikus Hahn noch 1 Stunde lang der Volksmenge am Pranger gezeigt, angetan mit einem grauen Büßerhemd. Mit zwei eisernen Sehellen an die Mauer gefesselt, hing man ihm zwei SchandtafeIn um; auf der einen stand "Des Mordes schuldig", auf der anderen "Der Todesstrafe schuldig". Anschließend wurde er auf einen Handkarren geworfen, der zur Richtstätte rollte, gefolgt vom richterlichen Protokollführer, dem Scharfrichter mit seinem Henkersknecht und einem Geistlichen. Vor dem Blutstuhl, der auf ein erhöhtes Gerüst gestellt war, angelangt, verlas der Richter nochmals laut das Todesurteil und brach sodann den Stab, was bedeutete, daß nun der Schaftlichter seines Amtes walten müsse. Der Geistliche hatte auf dem Weg zur Richtstätte laut den Kreuzweg gebetet. Nun forderte er die Menge auf mit ihm 3 Vaterunser für den Delinquenten zu beten. Diesem hatten inzwischen der Henkersknecht den Oberkörper entblößt, die Augen verbunden und die Hände auf den Rücken gefesselt. Bei der Bitte im 3. Vater unser "und vergib uns unsere Schuld", sauste das Schwert hiernieder und der Kopf des zweifachen Mörders rollte zu Füßen des Blutstuhls. Der Henkersknecht hob ihn hoch und zeigte ihn dem Volke. Dann legte man den Leichnam in den bereitstehenden Sarg, den Kopf zu seinen Füßen und der Henkerkarren brachte den Gerichteten zum Friedhof. In einem Winkel an der Mauer wurde er begraben." Das war die letzte öffentliche Hinrichtung mittels Schwert in Bayern. Zwölf Blutgerichte dieser Art sind in den Pfarrbüchern von Mitterfels vermerkt. Ägidius Hahn und die Magd wurden zur lebenslänglichen Zuchthausstrafe nach München gebracht Nach 20 Jahren sollte Ägidius wegen guter Führung einlassen werden. Die Heimatgemeinde Konzell weigerte sich aber die Kosten für den gealterten und kränklichen Obdachlosen zu übernehmen. So verblieb er bis zu seinem Tode im Zuchthaus und besorgte kleinere Arbeiten und Botengänge.